Sei es im Supermarkt, im Hausflur oder im Gespräch mit Freunden – egal, wo wir hinhören, es gibt nur ein Gesprächsthema: Corona. Durch politische Maßnahmen, die tagtäglich drastischer werden, versuchen wir die Lage zu kontrollieren und die Krankheit einzudämmen. Wenn es um den Coronavirus geht, macht uns dieser Kampf gegen das neuartige Virus unglaublich hilflos und diese Hilflosigkeit erzeugt Angst. Doch wie können wir mit diesem Gefühl der inneren Anspannung umgehen? Und, was ist Angst überhaupt, wo kommt sie her?

Angst ist nützlich

Aus evolutionspsychologischer Sicht ist Angst funktional: Sehen wir ein gefährliches Tier, bekommen wir Angst und diese Angst aktiviert uns, wegzulaufen. Angst ist ein häufiges, normales und vollkommen angemessenes Gefühl im Angesicht einer Bedrohung. Auch wenn dieser Fakt im Alltag manchmal untergeht: Unsere Gesundheit ist das höchste Gut, das wir haben. Unser Körper und unsere Psyche tun daher alles dafür, dass wir gesund werden und bleiben. Angst ist eine effektive vorbeugende Maßnahme unserer Psyche, um unsere körperliche Unversehrtheit zu schützen. Wenn wir Angst haben, werden wir vorsichtig und diese Vorsicht ist, auch in der derzeitigen Situation, angebracht.

Kann man zu viel Angst haben?

Angst ist ein schlechter Ratgeber, so heißt es schon im Volksmund. Wenn Angst uns nicht zur Vorsicht und Umsicht führt, sondern uns in Panik verfallen lässt, wird sie problematisch. Das merken wir daran, dass die Angst nicht abnimmt und wir unter der Angst leiden. Nicht selten beeinträchtigt uns die Angst dann im Alltag und lässt uns irrational handeln. Das Yerkes-Dodson-Gesetz (benannt nach den beiden US-amerikanischen Psychologen Robert Mearns Yerkes und John Dillingham Dodson) beschäftigt sich genau mit diesem Phänomen optimaler Handlungsfähigkeit. Kurz zusammengefasst: Mit einem mittleren Maß an Erregung erbringen wir die beste Leistung. Haben wir dagegen zu viel Erregung, d. h. auch zu viel Angst, verlieren wir unseren kühlen Kopf und treffen schlechte Entscheidungen. 

Das Fazit können dann zum Beispiel Hamsterkäufe sein, die aus dem Überschuss an Anspannung resultieren. Die Folge: Wir schießen über das Ziel hinaus, kaufen zu viel vermeintlich Überlebensnotwendiges und versetzen einander damit in die unberechtigte Sorge einer Nahrungsmittelknappheit.

Woran merke ich, dass ich (zu) ängstlich und angespannt bin?

Es gibt einige Anzeichen, an denen wir merken, dass wir zunehmend angespannt und ängstlich sind. 

Frühwarnzeichen können zum Beispiel schlechte Stimmung, Gereiztheit, Appetitsteigerung oder Appetitverlust, Nervosität, psychische oder körperliche Unruhe sein. Damit die Angst uns im wahrsten Sinne nicht zu Kopf steigt und unser Urteilsvermögen trübt, können wir zunächst unser Angstlevel beobachten. Auf einer Skala von 1-10, wie viel Angst habe ich gerade? Oft hilft uns schon das einordnen der Angst auf einer Skala dabei, die Angst zu rationalisieren. Keine Sorge bei höheren  Zahlen auf der Skala. Denn denke daran, dass ein mittleres Erregungsniveau nach dem Yerkes-Dodson-Gesetz durchaus förderlich sein kann. Es geht also nicht darum, gerade in Bezug auf den Corona-Virus, durchgängig eine 1 auf der Skala zu erleben und gar keine Angst zu verspüren. Es geht darum sich vorsichtig und umsichtig, aber nicht panisch zu verhalten. Die nächste Frage ist also, wie können wir unser Angstniveau Schritt für Schritt senken?

Schütze dich vor Angstmachern

Eine effektive Methode in der Psychotherapie ist die sogenannte Stimuluskontrolle. Stimuluskontrolle zielt darauf ab, bewusst mehr von dem zu tun, was deine psychische Gesundheit fördert und dich davon zu distanzieren, was dein Wohlbefinden negativ beeinträchtigt. Ganz konkret heißt das, dass du in den nächsten Tagen ganz konkret darauf achtest, was deine Corona-Angst verstärkt und was dir hilft, deine Angst zu reduzieren. Vielen Menschen tut es zum Beispiel nicht gut, die Nachrichten stündlich zu verfolgen. Du könntest dir daher überlegen, dich morgens oder während des Tages einmal auf den neuesten Stand zu bringen und es dann bewusst dabei zu belassen. Viele Zeitungen bieten auch einen Newsletter zum Thema Coronavirus an, den du zweimal am Tag erhältst und der dir eine eigene Suche erspart. Beobachte dich einmal und schaue, welches Maß an Informationen dir gut tut und wann dein Körper und deine Seele sich erholen dürfen. Es gibt schlichtweg keinen Grund, rund um die Uhr auf dem Laufenden zu bleiben, im Gegenteil: Es kann dein Angstlevel sogar erhöhen!

Angst und Corona: Körperliche Aktivität

Angst ist stark mit Stress verbunden und eine körperliche Stressreaktion wird über Hormone gesteuert. Den Abbau von Stresshormonen können wir aktiv fördern, indem wir uns ausreichend bewegen. Dafür müssen wir gar keinen Marathon laufen häufig reicht schon ein wenig Bewegung. Treppen steigen statt Fahrstuhl fahren, spazieren oder walken gehen, Liegestützen, zu Hause Zumba machen – es gibt eine Vielzahl an frei verfügbaren Videos im Internet. Gerade jetzt ist die Zeit, um neben dem verpflichtenden Homeoffice auch noch die „Home-Gym“ zu eröffnen und dabei auch etwas gegen unsere Ängste zu tun.

Die Perspektive wechseln

Bei all den wertvollen Tipps, wie wir die Angst reduzieren können, ist es genauso wichtig, die Angst anzunehmen und zu akzeptieren. Denn genauso wie wir die Natur nicht beherrschen, können wir unsere eigene Biologie auch nicht immer steuern. Und Ängste sind – ebenso wie andere Gefühle – unser evolutionäres Erbe, das unser Überleben sichert. Genauso verhält es sich mit Gedanken. Bestimmt kennst du das Experiment, bei dem man nicht an einen blauen Elefanten denken soll. Dass das nicht gelingt, liegt daran, dass wir unsere Gedanken nicht kontrollieren können. Aber auch hier gibt es einige Strategien, die dir den Umgang mit störenden Gedanken erleichtern können. 

Versuche einmal bewusst zu bemerken, wenn du Angst hast und deine Angst möglichst neutral zu beobachten. Schaue ihr zu, wie sie zunimmt, abnimmt, wie sie sich vielleicht in ihrer ganzen Qualität verändert. Deine Angst könnte sich z. B. zur Panik, dann zur Besorgtheit und wieder zur Angst wandeln und plötzlich klingelt das Telefon und sie verschwindet ganz unbemerkt. Diese Art die Perspektive zu wechseln, wird in der Psychologie „Defusion“ genannt. Defusion kann sehr hilfreich sein, um dein Angstlevel zu senken, da du dich ein Stück weit von deinen Ängsten löst – und das beruhigt, denn du merkst: Ich bin nicht meine Angst.

SOS gegen Angst

Starke Angst entsteht aufgrund einer körperlichen Reaktion. Diese Reaktion ist auf die beiden Nervensystemen Parasympathikus und Sympathikus zurückzuführen. Der Parasympathikus ist der Ruhenerv des Körpers, der Sympathikus hingegen versetzt uns in Erregung. Es ist daher wichtig, dass wenn du merkst, dass sich eine Panikattacke anbahnt, dich effektiv auch auf biologischer Ebene zu beruhigen.

Bei dieser Übung geht es um deine Atmung. Lasse die Ausatmung länger als die Einatmung sein. Um das sicherzustellen, kannst du deine Einatmung und Ausatmung in etwa im Sekundentakt zählen. Indem du die Ausatmung einige Schläge länger sein lässt als deine Einatmung, aktivierst du den Parasympathikus, deinen Ruhenerv. Wenn dein Körper sich dann etwas beruhigt hat und du merkst, dass du ruhiger wirst, kannst du dann versuchen, noch einmal in Ruhe herauszufinden, was dir Angst bereitet hat.